Tradition

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Alphonse Sauer, der künstlerische Leiter der Ersten Wiener Klavierschule, begann seine Studien bei Dieter Weber in Wien und hatte dann 8 Jahre lang bei Bruno Seidlhofer studiert. Gleichzeitig erhielt er Privatunterricht bei Elisabeth Leonskaja.
Lehrer von Bruno Seidlhofer war Franz Schmidt und Alban Berg usw. So läßt sich die Genealogy (siehe oben) verfolgen bis hin zu Liszt, Czerny, Beethoven, Haydn oder Bruckner und Schönberg.

Gesellschaft für Musikfreunde Wien
Es ist vielleicht vermessen, Beethoven als Ahnherrn einer „Wiener Klavierschule“ zu benennen. Und doch steckt ein Körnchen Wahrheit in dieser Zuordnung. Denn Czerny, der Beethovens pianistische Kunst akribisch dokumentiert hat und seine Lehrtätigkeit ganz in deren Gefolge zu entfalten trachtete, ist ja bis heute der Inbegriff des Klavierpädagogen geblieben – und seine Etüdenwerke sind und bleiben das Schreckgespenst aller angehenden Pianisten.

Klaviermetropole Wien
Wien blieb nach dem Ende der Wiener Klassik nicht zuletzt wegen seines regen Konzertlebens eine Hauptstadt der Musikpflege. Also sammelten sich vor dem zumeist höchst sachkundigen Auditorium der Metropole auch die wichtigsten Interpreten der Romantik.
Von Czerny über Ignaz Moscheles, Ferdinand Ries, Johann Nepomuk Hummel, bis zu Franz Liszt, Sigismund Thalberg, Theodor Leschetizky und dem legendären Charmeur Alfred Grünfeld (1852-1924) lebten einige der bedeutenden Pianisten zumindest zeitweise in Wien. Carl Maria von Weber, Frédéric Chopin, John Field, Clara Wieck, Hans von Bülow und viele andere gastierten jedenfalls hier.

So durfte man bald mit Fug und Recht behaupten, daß die romantische Klaviertradition in der Donaumetropole eine fruchtbare Stätte gefunden hatte. Das schlug sich von Anbeginn – siehe Czerny – auch in einer regen Lehrtätigkeit nieder. Hummel veröffentlichte in Wien 1828 seine „Ausführliche Anweisung zum Pianofortespiel“ und damit einen Meilenstein in der Entwicklungsgeschichte der Pianistik. Erstmals entwickelt er darin eine effektive Methode für den Fingersatz. Auch die Sitte, einen Triller mit der Hauptnote zu beginnen, geht übrigens auf dieses Werk zurück.

Russisch und wienerisch
Faszinierend ist auch der Gedanke, daß Theodor Leschetizky, Jahrgang 1830, aus Lemberg nach Wien gepilgert war, um hier bei Czerny und Simon Sechter zu studieren; und daß er Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts hierher zurückkehrte, um als längst weltberühmter Privatlehrer zu wirken. Denn Leschetitzky gilt neben Nikolai Rubinstein gemeinhin als Ahnherr der sogenannten russischen Klavierschule. Hatte er doch nach seiner Übersiedlung nach St. Petersburg, 1852, die Kaiserlich Russische Musikgesellschaft mitbegründet und bis 1878 als Klavierprofessor prägend die neue Virtuosengeneration ausgebildet.

In Österreich war dann eine der Zentralfiguren des Wiener Musiklebens der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sein Schüler: Franz Schmidt. Der Komponist war ja nicht nur Solocellist der Wiener Philharmoniker, sondern auch Leiter der Wiener Musikakademie und ein Pianist von erlesenem Rang. Aus Schmidts Schule erwuchs dann unter anderem Bruno Seidlhofer, der mit Sicherheit fruchtbarste Klavierlehrer seiner Generation, aus dessen Klasse so unterschiedliche Temperamente wie Friedrich Gulda, Alfred Brendel, Rudolf Buchbinder oder Martha Argerich hervorgegangen sind. Neben Friedrich Wührer, der ebenfalls Franz Schmidts Schüler war, bildete Seidlhofer somit die Verbindungslinie zur großen Wiener Klaviertradition.

Tradition und Stil
Wenn es diesbezüglich so etwas wie einen unverwechselbar „wienerischen“ Stil gibt, dann hat der wohl etwas mit jener Selbstverständlichkeit, mit jener nonchalanten Reduktion der Virtuosität zum Mittel der puren, uneitlen musikalischen Aussage zu tun, wie man sie in den Klassen der mehrheitlich aus der Seidlhofer-Schule hervorgegangenen Wiener Klavierpädagogen bis heute zu unterrichten versucht.

Die russische Klavierschule kehrt zu ihrem Ursprungsort Wien zurück

von Wiener Konzerthaus

Von Ingrid Schraffl

Elisabeth Leonskaja und Alexei Lubimov brachten bei ihrem Klavierabend am 12. Oktober im Großen Saal des Wiener Konzerthauses die russische Schule nach Wien. Es handelt sich allerdings nicht um einen Besuch, sondern gewissermaßen um eine Rückkehr, denn die russische Schule wurde von Theodor Leschetizky mitbegründet, der selbst beim Beethoven-Schüler Carl Czerny in Wien Unterricht erhielt.

Leschetizky, einer der bedeutendsten Klavierpädagogen seiner Zeit, dessen beachtliche pianistische «Ahnenlinie» bis in die Gegenwart reicht, ist aus einem weiteren Grund ein Angelpunkt dieses Klavierabends. Mit einem Frühwerk von Leschetizkys Zeitgenossen und Freund Johannes Brahms, der Sonate in f-moll op. 5, eröffnete Elisabeth Leonskaja den ersten Teil des Abends. Durch ihre Interpretation wurde der Kontrastreichtum, der sowohl zwischen als auch innerhalb der fünf spiegelsymmetrisch angeordneten Sätze herrscht, deutlich hervorgehoben. Stürmische Abschnitte wechselten sich mit vielen in einem erzählenden Ton gehaltenen Passagen ab, aber auch mit tänzerischen sowie zarten, intimen Momenten, in denen Leonskajas feines Spiel das Publikum berührte. Besonders bezauberte die Stelle im zweiten Satz, in der das Motto des Dichters Sternau zu erkennen war: «Der Abend dämmert, das Mondlicht scheint, da sind zwei Herzen in Liebe vereint und halten sich selig umfangen.»

Auf Brahms als Wegbereiter berief sich Arnold Schönberg, als er in seinem Essay «Brahms the progressive» die Kompositionstechniken der Zweiten Wiener Schule, der der nächste Teil des Konzerts gewidmet war, historisch legitimierte.

Zunächst spielte Elisabeth Leonskaja die Sonate op. 1 von Alban Berg, die noch während dessen Unterrichtszeit bei Schönberg entstanden war. Wie bei der Brahms-Sonate handelt es sich um ein Frühwerk. Ist erstere umfangreich und fünfsätzig, so besticht letztere durch ihre konzise, einsätzige, die klassischen Proportionen des Sonatenhauptsatzes einhaltende Form.

Es folgten drei Klavierstücke des beinahe unbekannten Philip Herschkowitz, eines Schülers von Alban Berg und Anton von Webern, mit deren federnden, pizzicato-artigen Klängen die Pianistin das Publikum zum Schmunzeln brachte.

Mit den nächsten drei Klavierstücken, diesmal op. 11 von Arnold Schönberg, änderte Elisabeth Leonskaja die Stimmung im Konzertsaal. Vom musikalischen Gehalt her substantieller, sind diese von musikgeschichtlicher Bedeutung, da Schönberg mit ihnen den tonalen Bezugsrahmen verließ.

Den letzten Abschnitt des Konzertes bestritt Leonskaja gemeinsam mit Alexei Lubimov, einem langjährigen Bekannten und ehemaligen Studienkollegen am Moskauer Konservatorium. Auf zwei Flügeln spielten sie Strawinskys selten aufgeführtes «Konzert für zwei Klaviere allein». Während Schönberg selbst in seinem Schaffen die Verbindung zu Brahms herzustellte, zog Theodor W. Adorno zwischen Schönberg und Strawinsky klare Grenzen: In seiner Schrift «Philosophie der neuen Musik» stellte er Schönberg als Inbegriff des Fortschritts und Strawinsky als Reaktionär gegenüber. Die Kraft, mit der diese Komponisten die Zuhörer ihrer Zeit polarisierten, ist heute durch den zeitlichen Abstand verschwunden. Das Publikum war nicht in Schönberg- und Strawinsky-Anhänger gespalten, sondern folgte ebenso gespannt Strawinskys rhythmischem Feuerwerk wie zuvor Schönbergs epochalem Meilenstein.

Leonskajas und Lubimovs Interpretation des Konzerts von Strawinsky stand dem Geist dieses neoklassizistischen Werks entsprechend ganz im Zeichen des Spiels: Das kompositorische Spiel mit der Tradition und mit den alten Formen – die Titel der einzelnen Sätze sind Gattungsbezeichnungen vergangener Jahrhunderte, wie «Notturno», «Variazioni» oder «Preludio e Fuga» – setzten die beiden Pianisten durch ein wetteiferndes Miteinander und mit spielerischer Leichtigkeit in der Ausführung um.

Der vergnügliche Funken russischer Schule sprang auf das Wiener Publikum über, dessen tosender Applaus mit zwei Zugaben belohnt wurde.

Man könnte sagen, der gesamte Abend stand unter Leschetizkys Credo «Kein Leben ohne Kunst, keine Kunst ohne Leben.»

Die Legende: Bruno Seidlhofer

Bruno G Seidlhofer was born in 1905 and died in 1982, He was an Austrian pianist and for over forty years, a legendary piano teacher at the Vienna Music Academy. Among Seidlhofer’s significant pupils include Martha Argerich, Rudolf Buchbinder, Nelson Freire, Raffi Armenian, Friedrich Gulda, Lars Sellergren, Claudia Hoca and Daniel Pollack.

Seidlhofer studied organ, harpsichord, piano, cello and composition with Franz Schmidt. He was also in close contact with the „Wiener Schule“ around Arnold Schoenberg and especially Alban Berg. In 1938 he arranged Bach’s Kunst der Fuge for piano four hands.

As a young Seidlhofer, He became internationally known as a pianist, then as brilliant piano teacher. From 1938 to 1980, he taught piano at the Wiener Musikakademie, at times, organ and harpsichord. For a long time, He was also engaged as a teacher at the Music Academy in Cologne and appointed professor in 1943.

Bruno Seidlhofer was invited to give master classes at universities worldwide, including in Brazil, Japan, Scandinavia and Italy, and was a jury member in the most prestigious piano competitions in Moscow, Geneva, Vienna, Warsaw and others.

Bruno Seidlhofer – Piano
1953 Supraphon Recording

Menuet in D major K.355, 0:00 – 6:03
Andantino in E flat major K.236, 6:04 – 7:55
Adagio in C major K.356, 7:55 – 10:31
Rondo in D major K.485, 10:31 – 16:23
Adagio in B minor K.540 16:23 – 24:53

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