Klaviertechniker

Mein erster Schüler ist zwar kein Pianist geworden, dafür aber einer der besten Klaviertechniker der Welt:  
Manfred Häfele von Bösendorfer aus Wien.


Manfred Häfele, Bösendorfer Wien

Sogar der legendäre italienische Pianist Arturo Benedetti Michelangeli verlangte Herrn Häfele, um seinen Steinway für ein Konzert in Wien vorzubereiten und schickte zwei seiner eigenen Techniker zurück nach Italien, obwohl sie absolute Steinway Spezialisten waren. Herr Häfele war Chefstimmer bei den Salzburger und Wiener Festwochen und wußte nicht nur einen Bösendorfer Flügel zu optimieren.

Die zweite Anekdote, daß es mir gelang ihm die d-moll Toccata von Scarlatti mit einem Trick beizubringen, sodaß die Repetitionen extrem brillant gelingen. Dann sprach ich mal mit einem Klassenkollegen aus Wien, der es zu Weltruhm schaffte und zufällig in einer depressiven Phase war und mir anvertraute, daß er an seinen Fähigkeiten zu zweifeln begann. Auf mein Nachfragen sagte er, daß selbst sein Klavierstimmer besser spielen könnte als er selber. Da wußte ich, daß es sich nur um Manfred Häfele handeln konnte! Vielleicht wollte Michelangeli ja auch von ihm nur meine Repetitionstechnik erlernen? (Hoffe meinen Witz verstanden zu haben, sonst wäre das wohl mehr als anmaßend)

Das Pendant zu Manfred Häfele (Spezialist für Bösendorfer) in Wien ist vielleicht Hans Giese (Spezialist für Steinway) in Köln
 
Hans Giese, Kölner Philharmonie

Hier arbeitet Hans Giese am Petrof Model I, der für das Klassikfestival in Buschbell 2013 zur Verfügung gestellt wurde

Der Techniker der Kölner Philharmonie ist ein Künstler auf seinem Gebiet. Er scheint nicht genug zu bekommen von Flügeln und veranstaltet sogar Hauskonzerte mit teilweise weltberühmten Künstlern! Es freut einen zu sehen, daß das Hauskonzert wieder eine Renaissance erlebt.
 

Die Dreifaltigkeit der Klaviertechniker wird komplett durch Eckhard Radmacher. Herr Radmacher hat an der Kölner Musikhochschule sein Konzertexamen als Pianist absolviert und ist ein ausgezeichneter Pianist. Kostproben können auf Sie auf seiner Homepage hören. Selten ist es bei klassischen Pianisten zu finden, daß sie gleichermaßen im Jazz zuhause sind. Das war auch der Traum von Friedrich Gulda, der eine Generation vor mir bei Bruno Seidlhofer studierte.
> Eckhard Radmacher, Steinway & Sons
Eckhard Radmacher machte für sich Guldas Traum wahr, schrieb Note für Note die besten Einspielungen von Oscar Peterson auf Papier und ist noch dazu einer der gefragtesten Klaviertechniker. Das ging soweit, daß der 1.Preisträger des Chopin Klavierwettbewerbs von Warschau 1974, Krystian Zimmermann, ihn auf seine Welttourneen mitnahm um seinen Steinway D Flügel für die Konzerte zu optimieren. Schwer genug jemanden zu finden, der Klassik und Jazz gleichermaßen in sich vereint, aber dazu noch als Klaviertechniker in der Champions League zu agieren ist vielleicht weltweit einzigartig!

https://www.er-pianoservice.de

 

Gruppe Zweifellos lädt ein

Missverständnisse

Missverständnisse entstehen durch unterschiedliche Wahrnehmung der Wahrheit. Was ist aber die Wahrheit? Die Wahrheit ist eine Verbindung zwischen Realität und Wirklichkeit. Während die Realität eine feste Komponente darstellt, ist die Wirklichkeit, also die Art und Weise wie die Realität wirkt, individuell verschieden. Damit erklärt sich, wieso es multiple Wahrheiten gibt.

In jüngerer Zeit ist es spätestens seit der Präsidentenwahl in den USA Mode geworden „alternative facts“ zu schaffen. Da nimmt man einfach eine Komponente heraus, nämlich die Wirklichkeit, um aus politischen Kalkül den Tatsachen eine nicht für alle nachvollziehbare Wirkung zuzuordnen. Genauso falsch wäre es, nur die Realität ohne ihre Wirkung als Wahrheit zu betrachten.

Was ist denn das Gegenteil des Missverständnisses?

Ist es vielleicht die „Einhellige Meinung“?
Kann sie nur in der Theorie gemessen werden, wie etwa in der Vorstellung einer geometrischen Parallele in der Unendlichkeit von Zeit und Raum, so ist das Missverständnis gelebte Wirklichkeit.

Schon in der Sprache zeigt es sich, daß Begriffe unterschiedlich verstanden werden, weshalb oftmals zuerst die Begriffe geklärt werden sollten.

Aber das Hauptargument für die These, daß das Missverständnis (oder die Wirklichkeit) ein Teil der Wahrheit und der andere Teil die Realität ist, liegt wohl darin begründet, daß es mehr als nur eine Wirklichkeit gibt, während die Realität keine Unterschiedlichkeit kennt. Korrekt wäre es also davon auszugehen, daß es soviel Wahrheiten wie Menschen gibt, weil auf jeden die Realität unterschiedlich wirkt.

Für heute ist es meine Aufgabe, aus der Perspektive als Interpret klassischer Klaviermusik das Phänomen näher zu betrachten.

Apropos Perspektive: Zur gleichen Zeit im selben Raum zu sein ist immer nur einer Person vorbehalten, also hat jeder Mensch schon rein physisch eine eigene, individuelle Perspektive. Die wichtigsten Faktoren für Individualität sind aber vielleicht die verschiedene Lebenserfahrungen, das Lebensalter, das Geschlecht und die unterschiedlichen Gene, die Erziehung und die Sozialisation in Kombination mit differierender Emotionalität.

Kommen wir zur Musik:

Musikliebhaber alter Meister erhoffen sich von klassischen Interpreten, daß sie in der Lage sein mögen, möglichst authentische Werktreue darzubieten, die dann idealerweise, digital auf CD gespeichert, der Nachwelt erhalten bleiben. Hier liegt ein falsches Verständnis der Kunst im Allgemeinen und der Musik im Besonderen zugrunde. Denn Musik lebt von Veränderungen! Das Element der Musik ist die Zeit, repräsentiert vom Rhythmus. Aber selbst ein Gemälde kann Rhythmus suggerieren (denken Sie an Goya, van Gogh oder Edvard Munck), auch wenn ohnehin klar sein dürfte, daß die Wechselwirkung von Betrachter und Kunstwerk dem stetigen Wandel unterliegt und somit nicht regungslos in der Zeit gefangen ist.

Auch der beste Interpret, der auf „absolute“ Werktreue wert legt, spielt jedesmal anders. Glücklicherweise, möchte ich meinen.

Nun ist der Moment gekommen, mich damit näher auseinanderzusetzen:

In der Werktreue liegt das größte Missverständnis aller Interpreten. Der gute Schüler und auch viele professionelle Künstler wollen dem dienen was in den Noten steht. Sie vergessen dabei aber erstens, daß das Wesentliche in der Musik nicht aufgeschrieben werden kann und daß zweitens dabei oft vergessen wird der Musik zu dienen. Lieber dient man der Druckerschwärze.

Die Frage kann man sich stellen, warum ein Komponist X eine Passage in bestimmter Weise aufgeschrieben hat? Soll hier beispielsweise staccato gespielt werden oder tatsächlich staccato klingen? (Zum besseren Verständnis für die, die nicht Klavier spielen: Wenn man einen Ton Staccato spielt, ihn aber im Pedal festhält, klingt er nicht mehr staccato). Schon hier unterscheidet sich die Notationsweise oder Eigenart der einzelnen Komponisten deutlich und ladet ein zum falschen Verstehen.

Wie oft hörte ich in meinem Leben: „Ja – aber da steht doch?“
Es gab Anfang des 20. Jahrhundert einzelne Tonaufnahmen von großen Komponisten wie Rachmaninov oder Scrjabin. Manchmal gibt es von einem Stück gleich mehrere Aufnahmen. Auffallend ist, daß ein Komponist sein eigenes Werk oft vollkommen unterschiedlich spielt und weniger zu tun hat mit dem, was gedruckt ist. Würde Beethoven noch einmal unter uns sein und wir ihn beispielsweise fragen, ob er sich noch an seine Komposition „Für Elise“ erinnerte, würde er es vermutlich bejahen. Dann gäben wir ihm leere Notenblätter und Bleistift mit der Bitte seine „Für Elise“ nochmal aufzuschreiben. Was denken Sie, was heraus kommen würde? Ich habe als Beispiel absichtlich Beethoven genommen, weil er ein sogenannter iTüpfel Reiter (österreichischer Ausdruck für Pedant) war und ich mir trotzdem sicher bin, daß er sein Stück signifikant anders geschrieben haben würde.

Wo liegt hier also das Missverständnisse? Zu glauben das strikte Befolgen der Vorgaben würde den Komponisten dienen ist ebenso falsch wie zu denken, es hätte etwas mit authentischer Interpretation zu tun. Wem sollte denn der Interpret dienen?

Sowohl der Komponist, als auch der Interpret dienen dem gleichen Ziel: der Musik. Die legendäre Sopranistin Maria Callas sagte einmal: „Die Musik ist so erhaben, daß man ihr nur dienen kann!“

Wie schafft man es zu vermeiden, daß der Realität zu viel Gewicht zukommt? Die Antwort gibt uns der Maler Manuel Kandinsky, der sinngemäß sagte: „Was macht ein Kunstwerk aus? Die Farbe? Die Form? Die Striche? Nein, es ist die Atmosphäre, die es erzeugt.“ In dieser Atmosphäre haben dann alle individuellen Wirklichkeiten Platz, weil sie sich dort nicht widersprechen, sondern ergänzen und miteinander verschmelzen.

So gesehen sind Missverständnisse Voraussetzung zur Einhelligkeit.

Copyright Alphonse Sauer